Zwischenspiel

Von Maren Hoffmann

Eine Handpuppentheaterbühne aus lustig bemalter Pappe mit offenem Vorhang in bayrischem Karomuster. Von links hastet ein zerknülltes Etwas vom ungefähren Aussehen eines alten Lederhandschuhs mit zwei gilbigen Sektkorken in Augenformation durch den Bühnenausschnitt, verbirgt sich notdürftig im rechten Vorhang und bedeutet den Lesern/Zuhörern mit verschmitzter Gebärde, sein Vorhandensein nach Möglichkeit geheim zu halten. Von rechts tritt nun Kant auf. Auf den Augen hat er zwei große Tomaten. Das Ding im Vorhang hat große Mühe, seine Heiterkeit (und sich selbst) zu verbergen.

Kant

Ach, wär ich der Gedanken los,
Ich Königsberger Trauerkloß,
Die ungeordnet mir im Hirn
So übel durcheinanderschwirrn !
Ich suche Form, doch ohne Gehalt,
Ich suche Sein, doch ohne Gestalt,
Ich will was tun, doch weiß nicht was
Und wenn es regnet, werd ich naß.
Ach, ich Armer.

Prompt beginnt es zu regnen. Kant setzt sich hin und beginnt zu weinen. Nach einer Weile zieht er eine silberne Uhr aus der Tasche und blickt darauf. Der Regen hört auf. Kant nickt befriedigt und hört ebenfalls auf zu weinen. Das Ding im Vorhang bedeutet mit ausholender Gebärde den Lesern/Zuhörern, daß jetzt Großes zu erwarten sei.

Kant

An die Arbeit, nicht gezagt,
Halb getan ist ganz gewagt.
Was sollen wir tun ? Was dürfen wir hoffen ?
Jetzt bestellt ist bald gesoffen.
Was dürfen wir glauben ? Was ist überhaupt ?
Und wenn was ist — ists auch erlaubt ?
                                Er nimmt die Tomaten von den Augen.
So, nun sehe ich besser.
                                Blickt sich um. Im Hintergrund wird ein Ortsschild                                 ›Königsberg‹ sichtbar.
Zunächst mal seh ich nun ganz klar
Das, was vorher nicht klar war.
Da ist die Stadt. Und hier bin ich.
Immanuel, so heiße ich,
Und Kant heiß ich noch obendrein.
Der Rest kann so schwer auch nicht sein.
Zum ersten steht ganz sicher fest,
Daß man was tut. Oder es läßt.
Und will man andre dahin bringen,
Dann muß man brüllen und nicht singen.
Ich schließe somit messerscharf :
Wer brüllt, bestimmt, wann wer was darf.
Und ist der Brüller ungerecht,
Dann, öh, dann, ja, dann stehts schlecht
                                Verfällt in tiefes Grübeln.
Haha ! Jetzt hab ichs : Denn zum zweiten
Wird jedes Wie ein Was begleiten.
Das streichen wir. Und übrig bleibt
Nur das, was die Gerechten treibt.
Ein feines Sätzlein, wohlgeformt,
Das künftig jede Handlung normt :
Handle stets so, daß die Maxime
(und seis auch eine ganz sublime)
Deines ganzen Tuns und Lassens,
Deines Liebens, deines Hassens,
Als ehern geschriebenes Gesetz
Noch immer niemands Recht verletz.
Ich will, daß man das anerkennt
Und mich fortan den Größten nennt.
                            Das Ding im Vorhang macht eine abfällige Gebärde.
                             Kant setzt sich erneut die Tomaten auf die Augen.

Kommen wir nun zum Erkennen.
Von rechts dürft man es nicht so nennen.
Wie oft ist mirs nicht schon passiert :
Wir warn zu zweit, aber tranken zu viert.
Und das Einhorn, das hab ich alleine gesehen.
Keiner sonst. Man wird verstehen,
Daß mich das zum Zweifeln treibt.
Was ists, was da noch übrig bleibt ?
Der Mensch, der denkt, er kann sich
Ein Bild machen vom Ding an sich,
Der irrt. Was wir haben, ist nur Affektion.
Weiter nichts. Das wars auch schon.
Guten Abend.

 

Kant geht ab. Das Ding geht in die Mitte der Bühne und läßt seine beiden Sektkorken knallen. Nach einer raschen Verbeugung eilt das nunmehr augenlose Ding Kant, der aber einen Haken schlägt, hinterher. Das Ding rennt an ihm vorbei. Vorhang.

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