Vom publizistischen Einfluß Koslowskis auf die deutsche Presselandschaft :
Maple Leaf — Der Ahornbote

     Der Krieg war zu Ende, aber Ruhe kehrte im Verlagshaus Rieck nicht ein. Am 3. November war das Verlagshaus des Kreisblattes mit Wirkung zum 9. November beschlagnahmt worden. Dabei versäumten es sowohl die britischen
als auch die für die Besatzungsmacht tätigen deutschen Instanzen, eine ordnungsgemäße Bestandsaufnahme zu machen. Durch ein langwieriges und kostspieliges Beweissicherungsverfahren untermauerte der Verlag Rieck in der Folge seine Ansprüche auf Rückgabe und Entschädigung.
     Mit der Stadt Delmenhorst war auch das Verlagsgebäude am 20. April 1945 von durchziehenden Truppen besetzt und anschließend, nachdem der Town-Major den Abzug dieser Truppen durchgesetzt hatte, mit Flüchtlingen belegt worden. Als Anneliese Schulte-Strathaus im Rathaus darum bat, die Arbeit des Betriebes wieder aufnehmen zu können, blieben ihre Anträge bis in den November hinein unbeantwortet. Statt eines friedlichen Neubeginns kam die Beschlagnahme.
     Eine kanadische Einheit zog in die Lange Straße 122 ein und begann die Soldatenzeitung Maple Leaf (Ahornblatt) zu drucken, eine Tageszeitung für die vornehmlich in Nordwestdeutschland liegenden kanadischen Besatzungstruppen. Delmenhorst war der siebte Verlags- und Druckort der Kanadier auf dem europäischen Kontinent. Im Januar 1944 war The Maple Leaf erstmals erschienen, damals in Neapel. Ab Juni druckte man in Rom und ab Juni 1945 in London. Dies war die Ausgabe für die an der italienischen Front und in den Nachschubhäfen auf der britischen Inse1 eingesetzten Soldaten. Daneben erschien ab Juli 1944 eine zweite Ausgabe. Ihr erster Druckort war das nordfranzösische Caen, der zweite Brüssel (ab September), der dritte Amsterdam (ab September 1945) und der vierte Delmenhorst.
     Die Setzmaschinen an der Langen Straße — die Kanadier arbeiteten mit dem vorhandenen Rieckschen Personal — setzten nun plötzlich vorwiegend Nachrichten aus Ottawa, Montreal und Quebec. Auch London und andere Teile des Commonwealth lagen ganz vorn im Blickfeld der kanadischen Redakteure. Nachrichten aus Deutschland spielten demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Die Sowjetunion kam so gut wie gar nicht vor.
     Bis Anfang Mai 1946 erschien Maple Leaf in Delmenhorst. Die Zeitung vom 4. des Monats war die letzte, die letzte überhaupt; denn die Londoner Ausgabe hatten die Kanadier bereits im Februar eingestellt. Auf der Titelseite kam das Hauptportal des Hauses Lange Straße 122 zu Ehren. Ein ganzseitiges Foto zeigt einen kanadischen Soldaten mit Baskenmütze. Er ist dabei, ein Schild Geschlossen (Closed) auf der Tür zu befestigen. Deutlich prangt die Aufschrift THE MAPLE  LEAF am Kreisblatt-Gebäude.
     Im Innern der letzten Ausgabe sieht man auf einer — ebenfalls ganzseitigen — Karikatur kanadische Soldaten einen Sarg tragen. Geboren — Italien, 1944, steht darauf. Gestorben — Deutschland, 1946. Die Redakteure vergaßen nicht, vier volle Seiten Comics in ihre letzte Zeitung zu stopfen. Die laufenden Serien mußten abgeschlossen werden. Das war man seinen uniformierten Lesern schuldig. Die Delmenhorster Rotation stand still. Sieben Monate lang hatte sie Maple Leaf gedruckt. Würde sie nun wieder eine deutsche Zeitung drucken ? Die Aussichten standen schlecht.

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