Lichtenberg, Tagebuch 1771 / 17

     23. Today just about half an hour after 12 it sunk to — 6, though I laughd at 2 o´clock. How I can bely myself, one half of mine can put on a fine face, to deceive the other, is there another such creature in being as man. I cheated myself at a terrible rate, laughed in the crying and killing season of 98 people among a 100. The first thought of killing myself I had at Darmstadt in the Winter 1758, whilst I was standing upon a table in that room, where the 4th Class of boys meets, and reading over some words which were wrote upon a black table, what they were I do not remember now, but I believe it was about the declension of domus. I afterwards wrote something in defence of selfmurder, which I gave our Rector Wenck who answerd my doubts well enough, but ever since I cannot help thinking of selfmurder.
     The weather cleard up. I went to see Dietrich, neither he nor his Wife seemed much pleased with my company, no wonder, because I could hardly bear myself, how gloomy a clear sky looks, when it storms within ourselves, I know now. I then went to Kaltenhofer, O God, every thing went with me.

Lichtenberg, Sudelbücher B 262

     Es wäre nicht gut, wenn die Selbstmörder oft mit der eigentlichen Sprache ihre Gründe erzählen könnten, so aber reduziert sie sich jeder Hörer auf seine eigene Sprache und entkräftet sie nicht sowohl dadurch, als macht ganz andere Dinge daraus. Einen Menschen recht zu verstehen müßte man zuweilen der nämliche Mensch sein, den man verstehen will. Wer versteht, was Gedanken-System ist, wird mir Beifall geben. Öfters allein zu sein, und über sich selbst zu denken, und seine Welt aus sich zu machen kann uns großes Vergnügen gewähren, aber wir arbeiten auf diese Art unvermerkt an einer Philosophie, nach welcher der Selbst-Mord billig und erlaubt ist, es ist daher gut sich durch ein Mädgen oder einen Freund wieder an die Welt anzuhaken, um nicht ganz abzufallen.

Lichtenberg, Sudelbücher B 338

An Herrn Ljungberg schrieb ich am 2. Dec. 1770 :
Nun habe ich keinen Menschen mit dem ich vertraut umgehen kann; auch nicht einmal einen Hund zu dem ich du sagen könnte. Zu meinem größten Glück habe ich noch unter diesen Umständen ein gutes Gewissen, sonst hätte ich mich, je eher je lieber, schon zu der Ruhe begeben, wovon den Hamlet die Träume, die er in derselben fürchtete, zurückhielten. Mich schrecken keine Träume, Hamlet sage was er wolle, ich rechne es für keinen geringen Trost bei der Betrachtung der menschlichen Trübsale, daß das Lot Pulver kaum 4 Pfennig kostet. Zu leben, wenn man nicht will, ist abscheulich, aber noch entsetzlicher wäre es unsterblich zu sein, wenn man nicht wollte. So aber hängt ja die ganze erschreckliche Last an mir vermittelst eines Fadens, den ich mit einem Groschenmesser entzwei schneiden kann.

Lichtenberg, Sudelbücher J 1186

Man schreibt wider den Selbstmord mit Gründen die unsere Vernunft in dem kritischen Augenblick bewegen sollen. Dieses ist aber alles vergeblich, so lange man sich diese Gründe nicht selbst gefunden hat, das heißt, so bald sie nicht die Früchte, das Resultat unserer ganzen Erkenntnis und unsres erworbenen Wesens sind. Also alles ruft uns zu, bemühe dich täglich um Wahrheit, lerne die Welt kennen, befleißige dich des Umgangs mit rechtschaffnen Menschen, so wirst du jederzeit handeln wie dirs am zuträglichsten ist, und findest du dereinst den Selbstmord für zuträglich, das heißt sind alle deine Gründe nicht hinreichend dich abzuhalten, so ist er dir auch — erlaubt.

Lichtenberg, Sudelbücher D 149

Arsenik, Bindfaden, Schießpulver, Wasser und ein Dachfenster, ein Messer oder wie die Mittel alle heißen mögen.

Lichtenberg, Sudelbücher B 209

Rede eines Selbstmörders kurz vor der Tat aufgesetzt

     Freunde ! Ich stehe jetzo vor der Decke im Begriff sie aufzuziehen, um zu sehen ob es hinter derselben ruhiger sein wird als hier. Es ist dieses keine Anwandlung einer tollen Verzweiflung, ich kenne die Kette meiner Tage aus den wenigen Gliedern die ich gelebt habe zu wohl. Ich bin müde weiter zu gehen, hier will ich ganz ersterben oder doch wenigstens über Nacht bleiben. Hier nimm meinen Stoff wieder, Natur, knete ihn in die Masse der Wesen wieder ein, mache einen Busch, eine Wolke, alles was du willst aus mir, auch einen Menschen, aber mich nicht mehr. Dank sei es der Philosophie, daß mich jetzo keine frommen Possen in dem Zug meiner Gedanken stören. Genug ich denke, ich fürchte nichts, gut, also weg mit dem Vorhang ! — —

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