Alexander von Humboldt

aus dem Tagebuch der 1852 verstorbenen Gräfin von B., vorherigem Fräulein von R., darin sie ein Gespräch Humboldts, das er 1812 in Paris mit einem ihrer Freunde geführt hat, niederlegt

     ... Ich bin nicht geschaffen, um Familienvater zu sein. Außerdem halte ich das Heirathen für eine Sünde, das Kindererzeugen für ein Verbrechen ... Es ist auch meine Überzeugung, daß derjenige ein Narr, noch mehr ein Sünder ist, der das Joch der Ehe auf sich nimmt. Ein Narr, weil er seine Freiheit damit von sich wirft, ohne eine entsprechende Entschädigung zu gewinnen; ein Sünder, weil er Kindern das Leben gibt, ohne ihnen die Gewißheit des Glücks geben zu können. Ich verachte die Menschheit in allen ihren Schichten; ich sehe es voraus, daß unsere Nachkommen noch weit unglücklicher sein werden, als wir — sollte ich nicht ein Sünder sein, wenn ich trotz dieser Ansicht für Nachkommen, d.h. für Unglückliche sorgte ? — Kein Anblick erfüllt mich mit größerer Wehmut, als der eines unschuldigen kleinen Kindes. Ich kann mich nicht erwehren, dabei jedes Mal an die Leiden zu denken, denen es entgegenreift. Das ganze Leben ist der größte Unsinn. Und wenn man achtzig Jahre strebt und forscht, so muß man sich doch endlich gestehen, daß man nichts erstrebt [sic!] und nichts erforscht hat. Wüßten wir nur wenigstens, warum wir auf dieser Welt sind ? Aber alles ist und bleibt dem Denker räthselhaft, und das größte Glück ist noch das, als Flachkopf geboren zu sein.

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