Stephan Schütze

9. April 1807 — Hilla Lilla Zur Reform des Schottischen

oder

Den lefver aldrig till, som jag kan klaga mina sorger

     Goethe hatte ... Schottische Balladen mitgebracht und erbot sich, eine von ziemlicher Länge selbst vorzutragen, doch so, daß den wiederkehrenden Satz, der bei jedem Verse vorkam, die Frauen immer im Chor dazwischen sprechen sollten. Der pathetische Vortrag begann, die Damen hielten sich bereit und fielen zur rechten Zeit ein, glücklich kam man über den ersten Vers hinaus, aber als dieselben Worte sich zum zweiten- und drittenmal wiederholten, überwältigte die Frau Professorin Reinbeck ein unwillkürliches Lachen; Goethe hielt inne, ließ das Buch sinken und strahlte sie alle mit den feurigen Augen eines donnernden Jupiters an : ›Dann lese ich nicht !‹ sagte er ganz kurz. Man war nicht wenig erschrocken; aber Johanna Schopenhauer bat vor, gelobte aufs neue Gehorsam und verbürgte sich für die übrigen. Nun ging es in Gottes Namen wieder vorwärts — und in der Tat ! sämtliche Damen auf Kommando das Kinn taktmäßig zugleich bewegen zu sehen, hatte so viel von der Komik an sich, daß die volle Autorität eines Goethe dazu gehörte, die ganze Gesellschaft in dem angeordneten feierlichen Ernste zu erhalten.

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     Dazu der Begleittext aus Götes Annalen, oder auch Tag - und Jahreshefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse. Daraus aber dann doch nicht, sondern aus den Papieren zu den Tag - und Jahresheften 1807 :
     Hilla, Lilla, eine schottische Ballade, war auch im Geschmack einer Litanei bei uns willkommen; man las den Text mit vernehmlicher Stimme, und die Gesellschaft wiederholte den Glockenklang des Refrains als Chor.

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